Fight Fake News: Strafe für Verschwörungstheorien? Haben wir doch schon.

Brauchen wir neue Gesetze gegen die Verbreitung von Verschwörungstheorien? Die gibt es schon in § 118 OWiG.

1. Wir erläutern in dem Video wann Fake News als Üble Nachrede, Verleumdung oder als Belästigung der Allgemeinheit rechtswidrig sind.

2. Wir haben einen Bot programmiert, mit dem man prüfen kann, welches Gesetz oder Regelwerk bei FakeNews anwendbar ist. Das System ist noch experimentell:
https://bots.kanzlei-jun.de/junbots/Chan_jos_erster_Bot

3. Hier noch der Longread

Ist die Verbreitung von Verschwörungstheorien strafbar?
Die Facebook-Timeline kredenzt mir bei jedem Besuch einen neuen Cocktail von dem, was der Algorithmus für wissenswert hält: Ein Presseartikel, ein laufender Livestream, kritische Meinungen zu staatlichen Meinungen und dann auch die Enthüllung: Bill Gates habe zusammen mit dem Finanzjudentum initiiert, um von der bereits vorbereiteten Impfpflicht finanziell zu profitieren. Manche falsche Tatsachenbehauptungen lassen sich nicht auf den ersten Blick entlarven. Immer wieder werden wir gefragt, lässt sich rechtlich etwas gegen Hate-News und Verschwörungstheorien unternehmen? Ministerpräsident Weil fordert die Schaffung neuer Straftatbestände und Top-Wissenschaftler fordern in einem offenen Brief das Eingreifen der Sozialen Medien.
Wir beleuchten die Rechtsfrage: Wann sind Fakenews strafbar?
Der Begriff Fake-News kommt im Gesetz genauso wenig vor wie Hate-Speech oder Hassrede, kann aber eine Vielzahl von Strafbarkeiten auslösen. In den vergangenen Jahren haben wir uns bei Justiz und Gesetzgebung vor allem um jene Tatsachenbehauptungen gekümmert, mit denen Menschen als Gruppen oder Einzelpersonen diskreditiert werden. Üble Nachrede und Verleumdung (§§ 186, 187 StGB) bestraft denjenigen, der wissentlich oder unwissentlich falsche Tatsachen in Bezug auf eine andere Person verbreitet und sei es durch einen Retweet. Die Verleumdung von Bevölkerungsgruppen – bei oben genanntem Bespiel die Juden – ist als Volksverhetzung (§ 130 StGB) strafbar. Die Behauptung jedoch, Corona-Maßnahmen ziellten darauf ab, eine Weltregierung zur Unterjochung des Christentums zu schaffen, enthält keinen Hinweis auf einen bestimmbaren Täterkreis. Eine Ahndungsmöglichkeit besteht gleichwohl, sie ist jedoch im Ordnungswidrigkeitengesetz versteckt und wird mangels Anzeige praktisch nie angewendet. Es ist die Belästigung der Öffentlichkeit nach § 118 OWiG.
Nach dieser Vorschrift kassiert derjenige eine Geldbuße, der vorsätzlich eine Falschnachricht lanciert und damit zu einer Störung, Verunsicherung oder Belästigung der Allgemeinheit beiträgt. Bisher bestand selten Anlass, gegen die Mythen von Aluhutträgern strafrechtlich vorzugehen, da etwa die Warnung vor Chemtrails wenig handfesten Schaden verursacht hat. In heutigen Zeiten könnte man darüber nachdenken, ob vorsätzlich verbreitete Falschnachrichten sanktionswürdig sein sollen.
Die Hürden für ein Vorgehen gegen Falschnachrichten sind zurecht hoch, und die angedrohte Geldbuße ist mit maximal 1.000,00 € niedrig, sodass für eine Verfolgung bei Anzeigenerstatter und Bußgeldbehörde einige Leidenschaft für die Verfolgung von Prinzipienfragen vorhanden sein muss.
Zu den Voraussetzungen:
1. Vorsatz
Der Täter muss vorsätzlich handeln. Er muss also wissen, dass er eine falsche Tatsachenbehauptung verbreitet. Das ist bei einer Bombendrohung oder anderen aufklärbaren Scherzen noch einfach. Bei pseudowissenschaftlichen Thesen kann eine Verurteilung schon schwieriger werden. Ein Beschuldigter kann sich damit verteidigen, den verbreiteten Unsinn selbst geglaubt zu haben. Das unterscheidet § 118 OWiG von der üblen Nachrede. Nach § 186 StGB hilft es dem Täter nicht, wenn er die verbreitete Tatsachenbehauptung für wahr gehalten hat. Er muss den Wahrheitsgehalt beweisen können.
Vorsätzliches Handeln erfordert keine Absicht. Derjenige, der wie jüngst der Raser auf dem Kurfürstendamm, den tatbestandlichen Erfolg billigend in Kauf nimmt handelt auch vorsätzlich. Wer also eine Falschnachricht verbreitet, weil der Zweifel am Wahrheitsgehalt objektiv angebracht ist, hat größere Mühe sich auf Naivität zu berufen.
2. Schutz der Meinungsfreiheit
Die Meinungsfreiheit aus Artikel 5 Grundsetz schützt zwar keine Tatsachenbehauptungen, wohl jedoch Meinungsäußerungen. An dieser Abgrenzung entscheidet sich, ob der massive Schutz des Grundgesetzes zum Greifen kommt. Hier ist eine komplexe Gesamtbetrachtung notwendig. Eine Tatsachenbehauptung wird nicht dadurch zu einer geschützten Meinung, dass ihr ein allgemeines Meinungs- und Glaubensbekenntnis vorangestellt wird („Ich bin davon überzeugt, dass…“). Andererseits kann ein Satz, der grammatikalisch klar als Aussagesatz qualifiziert wird eindeutig eine Meinungsäußerung darstellen („Schulschließungen haben keinen Effekt auf Infektionsverbreitung“).
3. Gefährdung und Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung
Eine Nachrichtenverbreitung, die dazu führen kann, dass die Empfänger der Nachricht gegen Infektionsschutzbestimmungen verstoßen, dürfte das Kriterium der Gefährdung und Beeinträchtigung erfüllen. Das würde etwa gelten für die folgende ausgedachte Behauptung:
Schwedische Wissenschaftler haben in Langzeitstudien herausgefunden, dass Mundmasken tragen die Hautkrebswahrscheinlichkeit um den Faktor 14 erhöht und die Verbreitung von Corona-Viren fördert.
Ein juristisches Vorgehen gegen Fake-News ist möglich, wobei eine Rechtsdurchsetzung besonders dann erfolgsversprechend ist, wenn sich die falsche Behauptung auf Personen oder Teile der Bevölkerung bezieht. Ohne Personenbezug braucht es wenigstens eventuell vorsätzliches erforderliches Handeln und eine Gefährlichkeit der Nachricht. Anzeigen können bei Polizei oder Staatsanwaltschaft kostenlos erstattet werden. Wer einen Musterfall findet kann ihn gerne an uns weiterleiten.