In einem aktuellen Rechtsstreit vor dem Landgericht München I kam es auf die Frage an, ob der Vertrag zur Software-Entwicklung nach Scrum-Methode als Werk- oder als Dienstvertrag zu verhandeln ist. Konkret ging es um die Geltendmachung von Vergütungs- und Schadensersatzansprüchen, die der Auftraggeber deshalb geltend machte, weil das Projekt einige Monate länger dauerte als ursprünglich veranschlagt. Der Auftraggeber bemühte eine Entscheidung des Landgerichts Wiesbaden, welches überraschend festgestellt hatte, dass zumindest dann ein Werkvertrag vorliegen könne, wenn der Auftraggeber über keine IT-mäßige Expertise verfüge und das Projekt allein vom Auftragnehmer gemanaged werde. Auch für das Münchner Gericht kam es entscheidend darauf an, ob das Team allein aus Mitarbeitern des Dienstleisters bestand oder ob der Auftraggeber an der Software-Entwicklung beteiligt war, was ja typischerweise im Scrum-Prozess der Fall ist. Gerade der Umstand, dass der Auftraggeber den Product-Owner stellt, war nach Auffassung der Klägerseite entscheidend. Das sah auch das Gericht so: Ein Werkvertrag kann nur dann vorliegen, wenn der beauftragte Unternehmer auch die alleinige Verantwortung dafür hat, das Projekt zu managen. Ausgangspunkt für die richterlichen Überlegungen war jedoch zunächst der schriftliche Vertrag. Zwar muss nicht jeder Vertrag, der als Dienstvertrag deklariert wird ein solcher sein, häufig finden sich jedoch bereits im Vertrag Anhaltspunkte für die Vertragsart. Das war hier nicht der Fall, da der Vertrag schon vor Jahren unter diesem Blickwinkel aufgesetzt worden war. Der Beklagtenseite oblag es damit nachzuweisen, dass ein bestimmter Erfolg konkret geschuldet war und eine Fertigstellung in bestimmter Zeit vereinbart war. In Anbetracht der Schriftformklausel, die mündliche Nebenabreden ausschloss, war dieses Unterfangen beinahe aussichtslos.
Die Beklagtenseite hatte versucht, Stichpunkte aus den Kick-Off-Workshops als vereinbarte Werke zu deklarieren. An dieser Stelle kam es darauf an, die Bestimmtheit der IT-Begriffe näher zu beleuchten. Wenn Parteien ein Single Sign-On und eine Datenbank-Anbindung als Anforderungen aufnehmen, ist dies genauso konkret wie die Anforderung Video-Gegensprechanlage und Gasanschluss bei einem Hausbauprojekt. Die wichtigsten Erwägungen finden sich in keinen Urteilsgründen wieder, da ein Vergleich geschlossen wurde. Letztlich kann sogar dahinstehen, ob ein Scrum-Vertrag nicht doch einzelne werkvertragliche Elemente hat, da ebenfalls kein Festpreis vorlag. Als Erkenntnis ergibt sich jedoch: Ein Scrum-Vertrag als Werkvertrag auszulegen ist schwierig, aber nicht ganz unmöglich. Es kommt darauf an, wie die Parteien das Vertragsverhältnis ausgestalten. Für einen Software-Entwickler macht die Unterscheidung jedoch immense Unterschiede in der Kalkulation und vor allem bei der Gewährleistung.