Warum günstige IT-Projekte schnell teuer enden

10.07.2015 – Dieser Artikel erschien in der Main-Post, Ausgabe Nr. 153 am 07.07.2015

Die Erstellung des Portals hätte 10.000,00 € kosten sollen. Inzwischen sind mehr als 20.000,00 € an die Entwickler bezahlt worden und ein Ende ist nicht in Sicht, stattdessen streiten Programmierer und Auftraggeber über ihre Anwälte um Mehrkosten, Nachfristen und Mängelbeseitigungen. Das gescheiterte IT-Projekt in der 10.000,00 €-Klasse ist eine sich ständig wiederholende Fallkonstellation in unserer Kanzlei. Zu Grunde liegen immer die gleichen Fehlannahmen.

Irrtum Nummer 1: Ich brauche nur ein paar Ergänzungen zur Standardhomepage
Der erste Internetauftritt war mit einem lächerlichen Budget von 2.000,00 € mit Hilfe von Joomla oder WordPress in ein paar Tagen realisiert. Auf Grundlage von Standardtemplates konnte der Student mit wenigen Klicks eine Seite bauen, die hoch professionell anmutete. Wenn man für so wenig Zeit und Geld so viel Ergebnis erzielt, muss man doch für den fünffachen Einsatz auch den fünffachen Nutzen haben.
Hier verschätzen sich nicht nur Auftraggeber, sondern auch der fleißige Student mit dem Nebengewerbe, der für die Webentwicklung den doppelten Stundensatz eines studentischen Mitarbeiters angesetzt hat.
Tatsächlich stellte sich jedoch bald heraus, dass der gewünschte Onlineshop und die Usercommunity den Aufwand exponentiell haben steigen lassen. Hinzu kam auch noch, dass der Auftraggeber im Hinblick auf Komfort und Gestaltung sich immer an den Portalen orientierte, die er selbst kannte: eBay, Amazon, Facebook. Ständige Änderungswünsche führten dazu, dass jede Entwicklung zwei- oder dreifach umgesetzt werden müsse, bis der Kunde zufrieden war.


Irrtum Nummer 2: Verträge sind nur für die Schublade
Zugegeben, die meisten Verträge, die jeden Tag abgeschlossen werden, werden nach dem Unterschreiben bestenfalls noch abgeheftet, aber nie mehr gelesen und nicht gebraucht. Anders ist es, wenn eine langfristige Dienstleistung vereinbart wird, bei der die Parteien von Haus aus unterschiedliche Vorstellungen darüber haben, wann das Werk als fertig bezeichnet werden kann. Hier braucht es eine detaillierte Beschreibung, was zu dem vereinbarten Preis an Leistung erbracht werden soll; wie viele Änderungen inkludiert oder extra berechnet werden sollen, welche Funktionen enthalten sind und wie viele Artikel der Webentwickler in den Shop einpflegen soll. Auf detaillierte Lastenhefte kann man jedoch verzichten, wenn man allein auf der Grundlage von vereinbarten Stundensätzen abrechnet und keine Vereinbarung darüber trifft, wieviel in der Zeit tatsächlich geleistet werden soll. Diese Abrechnungsart bevorzugen Dienstleister, Auftraggeber haben jedoch die Befürchtung, dass die Kosten ins Unermessliche steigen und keine Ergebnisse erzielt werden.
Das Homepageprojekt war noch überschaubar und mit Abschluss auch tatsächlich beendet. Mängelbeseitigungen spielten bei der Firmenrepräsentanz allenfalls eine Rolle, als die falsch abgeschriebene Umsatzsteueridentifikationsnummer ausgebessert werden musste. Auf dieser Erfahrung basiert der nächste Irrtum.

Irrtum Nummer 3: Software kann irgendwann fehlerfrei sei
Wer schon den Eindruck hatte, Microsoft Produkte wie Windows und Word hätten zu viele Programmierfehler wird bei Individualsoftware jedes Vertrauen in Technologie verlieren. Software ist umso fehleranfälliger, je komplexer sie wird. Auch wenn die eingesetzten Tools wie TYPO3 und Magento massenhaft eingesetzt sind, enthalten sie trotzdem zahlreiche Fehler. Selbst Webentwickler verschätzen sich immer wieder mit dem Aufwand, den sie für Tests und Fehlerbeseitigung brauchen. Solche Verzögerungen strapazieren jedoch nicht nur das Budget, sondern auch die Vertrauensbeziehung zwischen Entwickler und Kunde.

Irrtum Nummer 4: Wir werden uns schon einig
Manche Geschäftsleute vertrauen immer auf die einfache Formel: „Wir werden uns da schon einig.“ Das mag gut funktionieren, wenn man noch aushandeln will, ob man 5 oder 10 Prozent Rabatt bekommt, wenn es jedoch darum geht, dass der eine Teil das doppelte zahlen soll als ursprünglich erwartet oder der andere Teil doppelt so viel arbeiten soll als erwartet, gerät das Harmoniebedürfnis schnell an Grenzen. Das ist der Zeitpunkt, wo sich eine der Parteien zum ersten Mal erkundigt, wie sich der Fall rechtlich darstellt. Wer die besseren Karten hat, hängt häufig davon ab, ob ein Werkvertrag oder ein Dienstvertrag geschlossen wurde. Wenn sich keine der Parteien über diese Frage Gedanken gemacht hat, kann das Ergebnis durchaus zufällig sein, meistens kennt sich jedoch eine Seite besser aus als die andere und kann im Streitfall den Vorsprung ausspielen.
Aber selbst ein Vertrag ist kein Garant für ein erfolgreiches IT-Projekt.

Irrtum Nummer 5: Verträge lassen sich durchsetzen
Wir haben schon einige Male erlebt, dass die Versprechen aus dem Vertrag so weit von der Realität entfernt waren, dass der Dienstleister nicht einmal mehr den Versuch unternahm, den Vertrag vollständig zu erfüllen. Diesen Effekt kennt man auch von Handwerker, die eine Nachbesserung irgendwann aufgeben. Als Druckmittel kommen dann die Ersatzvornahme und die Geltendmachung von Aufwandsersatz in Betracht, was aber einen solventen Schuldner voraussetzt.

Tipps für die Beauftragung von Internetprojekten:

– Ermitteln sie ihre Ansprüche und eine realistische Schätzung des erforderlichen Aufwands
– Prüfen sie bei Festpreisangeboten genau den Leistungsumfang
– Richten sie sich bei spontan geplanten Projekten auf unkalkulierbare Kosten ein
– Schließen sie sorgfältig verhandelte und ausgearbeitete Verträge, wenn sie keine unendlichen Budgets haben
– Lassen sie sich beraten bevor der größte Schaden eintritt