17.03.2016 – Am 01.03.2016 hatte der BGH erneut in einem Fall über die Prüfungspflichten des Bewertungsportals für Ärzte jameda zu entscheiden. Der klagende Zahnarzt wandte sich an den BGH mit der Argumentation, dass es ihm ohne Informationen über den Patienten und die beanstandete Behandlung nicht möglich sei, sich wirksam gegen eine solche Bewertung zu verteidigen. Außerdem seien aus seiner Sicht nur Bewertungen zulässig, die von tatsächlichen Patienten abgegeben worden sind.
Die Vorinstanz, das OLG Köln (Az.: 15 U 141/14), entschied dahingehend, dass die Prüfpflicht des Portalanbieters bereits dann erfüllt sei, wenn ihm der Ersteller der beanstandeten Bewertung, ohne Beweisführung, glaubhaft machen kann, dass er Patient des bewerteten Arztes war.
Auch die Weiterleitung der im Wege der zumutbaren Prüfung erlangten Daten des Verfassers der Beurteilung lehnte das OLG aus datenschutzrechtlichen Gründen ab.
Dem trat der BGH nun dahingehend entgegen, dass sich die Bewertungsportale nicht lediglich auf allgemeine Zusicherungen der Kommentarverfasser verlassen dürften. Vielmehr müsse der Bewertende gegenüber dem Portalbetreiber den Behandlungskontakt möglichst genau beschreiben und etwa durch Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien, möglichst umfassend belegen.
Auch müssen die Betreiber der Bewertungsportale alle Unterlagen, welche sie ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG weiterleiten können, im Streitfall an die beurteilten Ärzte herausgeben.
Damit wird entgegen der bisherigen Rechtspraxis die Prüfungspflicht der Bewertungsportalbetreiber ausgedehnt und der gängigen Praxis, sich lediglich durch den Bewertenden, per E-Mail den Arztbesuch versichern zu lassen, eine Absage erteilt.
Darüber hinaus wird es falsch beurteilten Ärzten durch die vom BGH ermöglichte Auskunftspflicht der Portalbetreiber erleichtert, gegen die Bewertenden als tatsächliche Täter der Rechtsverletzung vorzugehen.
Da noch keine Entscheidungsgründe in dieser Sache veröffentlicht wurden, folgt an dieser Stelle zunächst die offizielle Pressemitteilung des BGH:
Nr. 49/2016
Bundesgerichtshof zur Konkretisierung der Betreiberpflichten eines Ärztebewertungsportals
BGH, Urteil vom 01. März 2016 – VI ZR 34/15
Der BGH hatte über die Pflichten des Betreibers eines Ärztebewertungsportals im Falle einer schlechten Bewertung durch einen anonymen Nutzer zu entscheiden.
Der Kläger ist Zahnarzt. Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse www.jameda.de ein Portal zur Arztsuche und -bewertung. Dort können Interessierte Informationen über Ärzte aufrufen. Registrierten Nutzern bietet das Portal zudem die Möglichkeit, die Tätigkeit von Ärzten zu bewerten. Die Bewertung, die der jeweilige Nutzer ohne Angabe seines Klarnamens abgeben kann, erfolgt dabei anhand einer sich an Schulnoten orientierenden Skala für insgesamt fünf vorformulierte Kategorien, namentlich „Behandlung“, „Aufklärung“, „Vertrauensverhältnis“, „genommene Zeit“ und „Freundlichkeit“. Ferner besteht die Möglichkeit zu Kommentaren in einem Freitextfeld.
Gegenstand der Entscheidung ist die Bewertung des Klägers durch einen anonymen Nutzer, er könne den Kläger nicht empfehlen. Als Gesamtnote war 4,8 genannt. Sie setzte sich aus den in den genannten Kategorien vergebenen Einzelnoten zusammen, darunter jeweils der Note „6“ für „Behandlung“, „Aufklärung“ und „Vertrauensverhältnis“. Der Kläger bestreitet, dass er den Bewertenden behandelt hat. Der Kläger forderte die Beklagte vorprozessual zur Entfernung der Bewertung auf. Diese sandte die Beanstandung dem Nutzer zu. Die Antwort des Nutzers hierauf leitete sie dem Kläger unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Bedenken nicht weiter. Die Bewertung beließ sie im Portal. Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten, es zu unterlassen, die dargestellte Bewertung zu verbreiten oder verbreiten zu lassen.
Das Landgericht hatte der Klage stattgeben; das Oberlandesgericht hatte sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen.
Der BGH hat die vorinstanzliche Entscheidung aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Nach Auffassung des BGH ist die beanstandete Bewertung keine eigene „Behauptung“ der Beklagten, weil diese sie sich inhaltlich nicht zu eigen gemacht hat. Die Beklagte hafte für die vom Nutzer ihres Portals abgegebene Bewertung deshalb nur dann, wenn sie zumutbare Prüfungspflichten verletzt habe. Deren Umfang richte sich nach den Umständen des Einzelfalles. Maßgebliche Bedeutung komme dabei dem Gewicht der beanstandeten Rechtsverletzung, den Erkenntnismöglichkeiten des Providers sowie der Funktion des vom Provider betriebenen Dienstes zu. Hierbei dürfe einem Diensteanbieter keine Prüfungspflicht auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährde oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwere.
Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts habe die Beklagte ihr obliegende Prüfpflichten verletzt. Der Betrieb eines Bewertungsportals trage im Vergleich zu anderen Portalen von vornherein ein gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in sich. Diese Gefahr werde durch die Möglichkeit, Bewertungen anonym oder pseudonym abzugeben, verstärkt. Zudem erschwerten es derart verdeckt abgegebene Bewertungen dem betroffenen Arzt, gegen den Bewertenden direkt vorzugehen. Vor diesem Hintergrund hätte die beklagte Portalbetreiberin die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersenden und ihn dazu anhalten müssen, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben. Darüber hinaus hätte sie den Bewertenden auffordern müssen, ihr den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien, möglichst umfassend vorzulegen. Diejenigen Informationen und Unterlagen, zu deren Weiterleitung sie ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG in der Lage gewesen wäre, hätte sie an den Kläger weiterleiten müssen. Im weiteren Verfahren würden die Parteien Gelegenheit haben, zu von der Beklagten ggf. ergriffenen weiteren Prüfungsmaßnahmen ergänzend vorzutragen.
Vorinstanzen:
LG Köln – Urteil vom 9. Juli 2014 – 28 O 516/13
OLG Köln – Urteil vom 16. Dezember 2014 – 15 U 141/14
Telemediengesetz (TMG)
§ 12 Grundsätze:
(1) Der Diensteanbieter darf personenbezogene Daten zur Bereitstellung von Telemedien nur erheben und verwenden, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat.
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Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 49/2016 v. 01.03.2016