Umgang mit Kritik im Internet

13.03.2013 – Es gibt eine Fallkonstellation, die hatte uns noch vor drei Jahren allenfalls einmal pro Monat beschäftigt. Heute vergeht kaum eine Woche, ohne dass wir ein Mandat oder wenigstens eine Anfrage zum Thema bekommen. Es geht um den Umgang mit Kritik im Internet – sei es auf Bewertungsportalen, in sozialen Medien wie Facebook und Google+, oder in Foren und eigens eingerichteten Kampagnenseiten.

Auch in der Rechtsprechung ist die Zunahme der hierzu ergangenen Entscheidungen deutlich spürbar. Der Umgang mit dieser Fallkonstellation ist besonders anspruchsvoll, da sich die optimale Strategie nicht alleine aus rechtlichen Erwägungen ableiten lässt; ein rechtlicher Erfolg kann ein Reputationsdesaster sein und andererseits lässt sich der gewünschte Erfolg auch erreichen, ohne im Recht zu sein.


Über die Rechtslage haben wir schon viel geschrieben. Die Prüfung beginnt mit der Abgrenzung von Tatsachenbehauptungen zu Meinungsäußerungen, danach wird Schmähkritik mit zulässiger Meinungsäußerung abgegrenzt und Tatsachenbehauptungen nach Wahrheitsgehalt und Ehrenrührigkeit. In den letzten Jahren hat sich die Rechtsprechung intensiv mit den Fragen auseinandergesetzt, ob Dritte für fremde Inhalte haften, welche Spielregeln ein Provider einhalten muss und was ein Admin-C oder Domaininhaber prüfen und verhindern muss. Für Spezialisten sind die Fallkonstellationen überschaubar. Zwar bieten die Einzelfälle ausreichend Spielraum für Auslegungen und Meinungsverschiedenheiten, damit ist die richtige Empfehlung jedoch noch lange nicht gefunden.

Wie kann ein rechtlicher Erfolg zum PR-Desaster werden?

Eines muss Jedem, der öffentlich kritisiert wurde, klar sein. Eine angefangene Diskussion lässt sich mit rechtlichen Mitteln nicht immer wirksam und endgültig unterbinden. Für die Frage, was rechtlich zulässig ist oder nicht, kommt es nicht auf die Schädlichkeit an, sondern auf rechtliche Kriterien, die gemessen an der Wirkung beinahe zufällig wirken. Eine geschickt formulierte Kritik kann rechtlich völlig unangreifbar sein und dennoch verheerende Wirkung erzeugen. Auf der anderen Seite können vergleichsweise harmlose Äußerungen im Ergebnis sogar mit Hausdurchsuchungen in kürzester Zeit verfolgt werden. Schließlich passiert es auch oft, dass ein anwaltliches Vorgehen ohne jegliche rechtliche Substanz dazu führt, dass der Angegriffene sofort die Flügel streckt und alles unterschreibt, was gefordert wird. Die Erkenntnis aus dem Vorgesagten lautet: Die Rechtslage ist nicht entscheidend darüber, ob das Vorgehen erfolgreich sein wird.

Der klassische Weg: Das juristische Instrumentarium

Zeichnen wir zunächst auf, welche typischen Optionen für ein Vorgehen gegen Kritik im Internet zur Verfügung stehen. Wer einen Anwalt aufsucht, erwartet i. d. R. auch die Einleitung eines rechtlichen Vorgehens. Nehmen wir für einen Augenblick an, dass wir es mit rechtswidrigen Äußerungen auf einem Bewertungsportal zu tun haben. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich einerseits daraus, dass die behaupteten, ehrrührigen Tatsachen falsch sind und zum anderen, dass die abgegebenen Wertungen als Formalbeleidigung oder Schmähkritik den Rahmen der zulässigen Meinungsäußerung überschreiten.

Häufig stellt sich das Problem, dass der Autor der Äußerung nicht namentlich bekannt ist, da nur ein Pseudonym vorliegt. Um gegen den Autor vorzugehen muss daher erst dessen Identität ermittelt werden. Als Auskunftsquelle kommt dabei einerseits der Betreiber der Seite oder, nach Erstattung einer Strafanzeige, die Staatsanwaltschaft in Betracht. Die Betreiber von Foren und Portalen zieren sich häufig, die Daten ihrer Nutzer herauszugeben. Diese Haltung ändert sich jedoch meistens dann, wenn dadurch eine eigene Haftung entsteht.

Die Aufforderung gegenüber rechtlich Verantwortlichen sollte sich nicht auf die Beseitigung beschränken, sondern auch die künftige Unterlassung und Überwachung, sowie die zugehörigen Annexansprüche umfassen. Wir erleben es häufig, dass nicht alle bestehenden Ansprüche ausgeschöpft werden.

Widersetzt sich der Gegner, kann bei bestehender Eilbedürftigkeit eine einstweilige Verfügung beantragt werden. Dies setzt Eilbedürftigkeit voraus, die nicht mehr vorliegt, wenn der Geschädigte übermäßig lange (je nach Gericht ein bis zwei Monate) mit seiner gerichtlichen Rechtsverfolgung gewartet hat. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung ist oft ein entscheidender Wendepunkt in einem Rechtsstreit. Die Verfügung enthält bereits eine rechtliche Bewertung des Sachverhaltes. Obwohl die Verfügung nur vorübergehend wirkt und im Eilverfahren erlassen wird, reicht die Überzeugungswirkung oft viel weiter.

Eine Strafanzeige ist manchmal alleine zur Aufklärung des Sachverhaltes geboten. Soweit eine Kritik auch die Straftatbestände nach § 185 ff. StGB verwirklicht, sollte eine Strafanzeige und ein Strafantrag ohnehin in Erwägung gezogen werden. Die Antragsfrist beträgt drei Monate ab Bekanntwerden. 

Häufig merkt ein Gegner erst bei Erlass einer einstweiligen Verfügung, dass Ihnen die Sache ernst ist und vor allem, dass Gerichte bereit sind der Rechtsauffassung zu folgen. Wir nach Zustellung der einstweiligen Verfügung die rechtswidrige Kritik nicht unverzüglich gelöscht, folgt sogleich der Bestrafungsantrag. Eine nichtbefolgte einstweilige Verfügung löst Ordnungsgelder in der Größenordnung von 1.000,00 € bis 10.000,00 € beim ersten Fall aus, ersatzweise Ordnungshaft, die am Geschäftsführer vollstreckt wird. Spätestens jetzt sollte der Gegner handeln. 

Wir empfehlen häufig gleich die Erhebung der Hauptsacheklage, da nur in einem Hauptsacheverfahren auch Schadensersatz, Auskunft und Kostenerstattung geltend gemacht werden kann. 

Verteidigung durch PR-Maßnahmen

Abmahnungen und einstweilige Verfügungen können in der Öffentlichkeitswirkung leicht nach hinten losgehen. Gerade dort, wo sich ein großer Teilnehmer gegen einen kleinen wehrt, dauert es meist nicht lange, bis der Zensurvorwurf auf anderen Kanälen erhoben wird. Wenn es Ihnen nicht gelingt, den Kritiker so weit einzuschüchtern, dass er von weiteren Äußerungen über Ihr Unternehmen Abstand nimmt, müssen Sie damit rechnen, dass er sich nach anwaltlicher Beratung künftig in schädlicher, aber rechtlich zulässiger Weise über Sie äußert. Gegen eine zwar ungerechtfertigte und unsachliche Kritik, die aber in der Form nicht beleidigend ist, haben Sie keine rechtliche Handhabe. Hier bietet die sachliche Auseinandersetzung mit der Kritik oft den besseren Ansatz. Gleiches gilt auch dort, wo die Kritik berechtigt ist und einzig eine selbstkritische Auseinandersetzung Sympathiepunkte bringen kann.

Einer Fastfood-Kette wurde einst vorgeworfen, sie würde Regenwürmer in ihren Frikadellen verarbeiten. Anstatt dieses falsche Gerücht zu unterbinden, lancierte McDonalds damals die öffentliche Mitteilung, dass Regenwurmfleisch wesentlich teurer sei, als Rindfleisch. Der Regenwurmeinsatz mache keinen Sinn. 

Der Spediteur FedEx musste sich vor einigen Jahren mit einem auf Youtube rasend schnell verbreiteten Video befassen. Es zeigte, wie ein Zusteller einen Computermonitor ohne einen Versuch der Kontaktaufnahme über den Zaun warf und verschwand. Hier gab es nichts mehr zu beschönigen. FedEx reagierte innerhalb weniger Tage durch ein öffentliches Statement des Vice Presidents, indem er sämtliche Verantwortung auf sich nahm, sich entschuldigte und Besserung gelobte. Die Reaktion in der Öffentlichkeit war insgesamt positiv. 

Obwohl wir als Anwälte gerne für Sie durch alle Instanzen klagen, werden wir Sie in unserer Beratung auch darauf hinweisen, wenn wir einen unjuristischen Weg für zielführender erachten.