Ein Urteil des Landgerichts München I führt derzeit zu einer Abmahnwelle aufgrund der Nutzung des Google-Dienstes „Google Fonts“ für Internetauftritte, die auch Sie als Webseitenbetreibende betreffen könnte. Erfahren Sie weiter unten, wie Sie Abmahnungen vorbeugen oder aber auf erhaltene Abmahnungen reagieren können.
Wir haben darüber hinaus ein Video zum Thema veröffentlicht:
Nachfolgend weitere Details zum Thema:
Überblick
Nach einem rechtskräftigen Urteil des LG München I vom 20.01.2022 (Aktenzeichen 3 O 17493/20) stellt die dynamische Einbettung von Google Fonts …
- … eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Form des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach § 823 Abs. 1 BGB dar. Die Folge ist ein Anspruch auf Unterlassung der Weitergabe von IP-Adressen durch die Webseitenbetreibenden an Google aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. § 1004 BGB analog.
- … ohne entsprechende Einwilligung der Webseitennutzenden einen datenschutzrechtlich unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus § 13 Abs. 2 TMG aF, Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO dar. Die Folge ist ein Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO, der auch immaterielle Schäden umfasst.
Was sind Google Fonts?
Der Google-Dienst „Google Fonts“ stellt eine breite Auswahl an Schriftarten zur kostenlosen Nutzung auf Internetseiten zur Verfügung.
Einbindung der Google Fonts – lokal oder dynamisch
Auslöser der Abmahnwelle ist ein Urteil des LG München I zur Einbindung der Google Fonts aus Webseiten. Die Google-Fonts-Schriftarten können neben Textpassagen etwa in eingebetteten Diensten wie Google Maps und reCAPTCHA eingebunden sein und mit Aufruf der Seite automatisch mitgeladen werden. Eine Einbindung der Google Fonts kann grundsätzlich lokal oder dynamisch erfolgen.
Ersteres scheint datenschutzrechtlich unbedenklich: Im Rahmen der lokalen Verwendung können die Webseitenanbietenden die Schriftart herunterladen und anschließend im eigenen Webspace wieder hochladen. Rufen die Besucherinnen und Besucher die Webseite auf, so wird bei der lokalen Einbindung keine Verbindung zum Google-Server aufgebaut. Eine Übertragung von Daten der Webseitennutzerinnen und -nutzer an Google findet dabei nicht statt.
Problematisch in datenschutzrechtlicher Sicht ist die dynamische Nutzung der Google Fonts: Hierbei wird lediglich ein Code-Snippet in den HTML-Code der Internetseite eingebunden. Mit jedem Aufruf der Internetseite durch die Nutzerinnen und Nutzer wird eine Verbindung zum Google-Server aufgebaut, um die entsprechende Schriftart anzuzeigen. Dabei wird mit dem Verbindungsaufbau automatisch die IP-Adresse der Nutzenden an Google übertragen.
Urteil des LG München I
Die beklagte Webseitenbetreiberin hatte auf Ihrer Internetseite Google Fonts verwendet. Diese waren dynamisch eingebunden. Der Kläger fühlte sich nach seinem Besuch der Seite dadurch gestört, dass seine IP-Adresse über die Fonts-Einbindung an Google weitergegeben worden war. Neben Unterlassung verlangte er Schadensersatz i. H. v. 100 €. Das LG München I gab dem Kläger Recht und verurteilte die Webseitenbetreiberin zu Unterlassung, Auskunft sowie Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes i. H. v. 100 € nebst Zinsen.
1. Die dynamische Einbindung der Google Fonts zieht durch die automatische Weiterleitung der IP-Adressen eine Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach sich und begründet einen Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. § 1004 BGB analog. Betroffen ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches das Recht der Webseitenbesuchenden umfasst über die Preisgabe und Verwendung ihrer personenbezogenen Daten zu bestimmen.
2. Die dynamische Einbindung der Google Fonts ohne entsprechende Einwilligung ist aufgrund der mangelnden Kontrolle über die an die Server von Google in die USA übermittelten Daten ein datenschutzrechtlich unzulässiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, in den der Kläger nicht gem. § 13 Abs. 2 TMG aF, Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO eingewilligt hat, und begründet einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Art. 82 Abs. 1 DSGVO dient präventiv der Vorbeugung weiterer Schäden und soll Anreize für Sicherungsmaßnahmen schaffen. Die Erheblichkeit wurde im Fall schon damit begründet, dass die Übermittlung der Daten aufgrund mehrerer Besuche nicht nur einmalig übermittelt worden war, das Unternehmen Google bekannt sei für das Sammeln der Daten der Nutzenden – was ein empfundenes individuelles Unwohlsein begründete – und dass die Daten in die USA, ein Land ohne Gewährleistung eines angemessenes Datenschutzniveaus, übermittelt wurden. Gerade da eine lokale Einbindung der Google Fonts möglich ist, liege darüber hinaus auch kein Rechtfertigungsgrund vor.
Bedeutung des Urteils für Sie als Webseitenbetreibende
Haben Sie Google Fonts dynamisch auf Ihrer Internetseite eingebunden, so riskieren Sie zurzeit eine Abmahnung. Wir beobachten bereits eine stetig ansteigende Anzahl an Anfragen von Abgemahnten, was sich durchaus zu einer Abmahnwelle ausweiten könnte, bei der gezielt das Internet nach deutschen Webseiten durchsucht wird, die Google Fonts auf eine unzulässige Weise verwenden. Damit drohen nicht nur etwaige Schadensersatzansprüche nach Art. 82 DSGVO, sondern auch mit dem Unterlassungsanspruch einhergehende Ansprüche auf Erstattung von Anwaltskosten.
Wie können Sie einer Abmahnung vorbeugen?
- Prüfen Sie als Webseitenbetreibende zunächst, ob Google Fonts in Ihrer Webseite eingebunden sind. Falls Sie dies nicht selbst beherrschen, bitten Sie Ihre Webagentur um eine Überprüfung. Mittlerweile gibt es zudem diverse Google Fonts Scanner im Internet, mit denen Sie die Nutzung von Google Fonts selbst feststellen können. Denken Sie hierbei insbesondere auch an eingebundene Dienste, die Google Fonts enthalten können, wie bspw. Google Maps, reCAPTCHA oder sonstige mediale Inhalte.
- Falls Sie Google Fonts verwenden, prüfen Sie weiter, ob der Dienst überhaupt benötigt wird oder ob es sich um eine standardmäßige Einstellung handelt, auf die Sie verzichten können.
- Möchten Sie den Dienst weiterhin verwenden, prüfen Sie, ob es sich um die lokale oder dynamische Verwendung der Schriftarten handelt. Nutzen Sie Google Fonts dynamisch, so empfiehlt es sich, die Schriftarten lokal zu speichern und von dort aus in die Webseite einzubinden.
Was sollten Sie tun, wenn Sie bereits ein Abmahnschreiben erhalten haben?
- Ignorieren Sie das Abmahnschreiben nicht, da durchaus empfindlichere Verfolgungsmöglichkeiten (z. B. auch ein Einschreiten der Datenschutzaufsichtsbehörde bei einer entsprechenden Beschwerde) oder die gerichtliche Eskalation denkbar sind.
- Ob tatsächlich ein Schadensersatzanspruch besteht und pauschal ohne Nachweis einer Beeinträchtigung und eines Schadens geltend gemacht werden kann, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt; entsprechende Rechtsfragen sind derzeit beim EuGH zur Klärung anhängig. Die Abmahnkanzleien berufen sich auf eine bisher in diesem Kontext ergangene Entscheidung des LG München I, die aber nur eine von mehreren vertretbaren Rechtsauffassungen wiedergibt.
- Insofern erscheint es aus unserer Sicht je nach Einzelfall durchaus vertretbar, mit entsprechender juristischer Argumentation Ansprüche zurückzuweisen und keine Zahlung zu leisten. Man muss sich allerdings bewusst sein, dass man sich damit dem Risiko weiterer rechtlicher, ggf. sogar gerichtlicher Schritte, und damit der Gefahr weiterer Aufwände und Kosten aussetzt.
- Sofern Sie die Angelegenheit „kostengünstig“ erledigen wollen, sollten Sie Zahlungen auf die Abmahnung nicht ohne Vorbehalt leisten. Eine Zahlung sollte zumindest ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz erfolgen. Zudem sollten Sie sicherstellen, dass die abmahnende Kanzlei bestätigt, dass mit Zahlung eines Vergleichsbetrages alle Ansprüche abgegolten und erledigt sind. Zu prüfen wäre das Abmahnschreiben zudem dahingehend, ob ggf. weitergehende Ansprüche (z. B. auf Unterlassung oder Auskunft) gegen Sie geltend gemacht oder ausdrücklich vorbehalten werden, die von einer Zahlung ggf. unberührt bleiben.
- Sofern die Abgabe einer Unterlassungserklärung von Ihnen gefordert wird, sollten Sie beachten, dass Sie, falls Sie eine solche Erklärung abgeben, künftig sicherstellen müssen, keine weiteren Verstöße mehr zu begehen, ansonsten droht eine (verglichen mit den üblicherweise in Abmahnungen geforderten Zahlungen ggf. ungleich empfindlichere) Vertragsstrafe.
Letztlich sind bei allen Handlungsvarianten die Risiken des weiteren Vorgehens abzuwägen. Dabei kommt es maßgeblich auch auf die Umstände Ihres Einzelfalles an.
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